5. Januar 2014

Wissenshunger: Hunger und Essen


"Essen ist ein Verhalten, das für praktisch jeden von uns von Interesse ist. Wir alle tun es, und die meisten von uns haben viel Freude daran. Aber viele von uns wird es zur Ursache ernster persönlicher und gesundheitlicher Probleme. [...]

Die starke Zunahme von Adipositas und anderer Essstörungen, die während der vergangenen Jahrzehnte in vielen Ländern stattgefunden hat, steht eigentlich im Gegensatz zu dem, was die meisten Menschen über Hunger und Essen denken.

Viele [...] glauben nämlich, dass Hunger und Essen normalerweise angestoßen werden, wenn die Energiereserven des Körpers unter ein vorgeschriebenes optimales Niveau, den Sollwert fallen. Sie erkennen vermutlich an, dass Hunger und Essen von vielen Faktoren beeinflusst wird, gehen aber dennoch davon aus, dass sich das System zur Regulation von Hunger und Nahrungsaufnahme entwickelt hat, um den Körper mit genau der richtigen Enerigemenge zu versorgen. [...]

Wenn die Hauptfunktion unserer Systeme zur Regulation von Hunger und Nahrungsaufnahme darin bestünde, die Energiereserven auf einem optimalen Niveau zu halten, dann sollten Essstörungen seltener sein. Die Tatsache, dass sie so häufig sind, weist aber darauf hin, dass Hunger und Essen auf eine andere Art reguliert werden. [...]

Da die Sollwerttheorien die grundlegenden Phänomene von Hunger und Essen nicht erklären können, wurde eine alternative theoretische Perspektive entwickelt. Die zentrale Annahme dieser Perspektive, die meist positive Anreiztheorie genannt wird, ist, dass Menschen [...] normalerweise nicht durch innere Energiedefizite zum Essen veranlasst werden, sondern durch die Antizipation der positiven Wirkungen des Essens dazu motiviert werden. [...]

Der wichtigste Grundsatz dieser positiven Anreizperspektive der Nahrungsaufnahme ist, dass diese sehr ähnlich gesteuert wird wie das Sexualverhalten: Wir zeigen Sexualverhalten nicht auf Grund eines inneren Defizits, sondern weil wir uns so entwickelt haben, dass wir ein Verlangen danach empfinden. Der evolutionäre Druck einer unerwarteten Nahrungsknappheit hat uns [...] so geformt, dass wir hochwertige Nahrung nutzen und sie essen, wenn sie vorhanden ist. [...]

Das Ausmaß des Hungers, den man zu einem bestimmten Zeitpunkt empfindet, hängt von der Interaktion all der Faktoren ab, die den postiven Anreizwert des Essens beeinflussen. Dazu gehören die Folgenden:

Der Geschmack der Nahrung [...]; was wir über die Wirkungen dieser Nahrung gelernt haben, entweder durch früheren Verzehr oder von anderen Personen; wie viel Zeit vergangen ist, seitdem wir sie das letzte Mal gegessen haben; die Art und Menge der Nahrung in unserem Magen-Darm-Trakt; ob andere Personen anwesend sind oder nicht und Essen oder nicht; ob unser Blutzuckerspiegel im normalen bereich liegt oder nicht;... [...]".

(Quelle: Pinel, J. (2012): Biopsychologie, 8.Auflage)

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